
„Nichts funktioniert. Diese Mannschaft ist krank“, lautete das Urteil von Gennaro Gattuso nach einer 0:2‑Heimniederlage der SSC Neapel gegen Florenz im Januar. Die Serie A schrieb zu diesem Zeitpunkt den 20. Spieltag, Neapel lag auf Rang elf – viel zu wenig für die eigenen Ansprüche. Mehr als einen Monat zuvor war Carlo Ancelotti nach einer Serie von neun Spielen ohne Sieg als Trainer der Partenopei entlassen worden, obwohl er mit seiner Mannschaft letztlich souverän die K.o.-Phase der Champions League erreicht hatte.
Als Nachfolger stand Gattuso bereit, der im Mai 2019 von seinem Posten als Trainer seines Herzensvereins Milan zurückgetreten war. Mit der Aufgabe am Fuße des Vesuvs schien sich der „Knurrer“ zu Beginn keinen Gefallen getan zu haben, denn auch die ersten Spiele unter seiner Leitung liefen für Lorenzo Insigne und Co. bis auf einen Auswärtssieg in Sassuolo kurz vor Weihnachten eher schlecht. Es schien, als würden die Querelen, die rund um ein durch den Verein anberaumtes Trainingslager im November aufgeploppt waren, die Mannschaft lähmen würden.
Ein einziger Moment
Das trostlose 0:2 gegen die Fiorentina war der Ausgangspunkt für Gattusos harte Diagnose über sein Team, das er zu Anfang des Jahres mit Diego Demme verstärkt hatte. Der Deutsch-Italiener wechselte aus Leipzig nach Süditalien und erfüllte sich damit einen Kindheitstraum. Demmes Vater stammt aus Neapel, zudem war der bärbeißige Mittelfeldspieler Gattuso ein Vorbild für den jungen Diego – der von seinem Vater natürlich nach dem größten Spieler in Neapels Vereinsgeschichte benannt wurde: Diego Armando Maradona. Neben Demme kam fürs Mittelfeld noch der 20 Millionen Euro teure Stanislav Lobotka von Celta Vigo.
Wie so häufig im Fußball drehte sich die Stimmung innerhalb weniger Tage nach der ernüchternden Pleite dank eines einzigen Moments: In der Coppa Italia schlugen die Azzurri das Topteam von Lazio durch ein Tor von Kapitän Insigne 1:0 und zogen dadurch ins Halbfinale gegen Inter ein. Der Jubel des Nationalspielers zeigte, wie viel ihm dieses Tor bedeutete. Insigne, der nach dem Treffer immer wieder mit seiner Faust auf das SSC-Wappen auf seinem Trikot hämmerte, versinnbildlicht als gebürtiger Neapolitaner die Entwicklung des Vereins in den letzten Jahren wie kein anderer.
Unter Sarri war Neapel ein spannendes Team
Unter Maurizio Sarri war er als linker Außenstürmer einer der gefragtesten Spieler in Europa, seine Dribblings und Tore während dieser Ära hatten ihn zu einem spektakulären Spieler gemacht, der gleichzeitig für die Fans als Identifikationsfigur diente. Sarris Neapel galt allgemein als eines der interessantesten Teams der vergangenen Dekade – für den großen Titel, den sehnsüchtig erwarteten Scudetto, reichte es zwar nie, der schöne Kombinationsfußball im 4−3−3 war aber stilprägend für die Serie A. Doch unter Ancelotti hatte die Formkurve Insignes häufiger nach unten gezeigt.
Durch den Erfolg im Pokal gegen die Hauptstädter stieg auf Neapels Seite das Selbstvertrauen – und das gerade noch rechtzeitig. Nur ein paar Tage später stellte sich im Stadio San Paolo Serienmeister Juve vor, der für Napoli-Anhänger seit jeher das Feindbild im gesellschaftspolitischen Spannungsfeld zwischen dem Norden und Süden Italiens darstellt. Mittelfeldspieler Piotr Zielinski und erneut Insigne schossen die Tore, der Anschlusstreffer durch Cristiano Ronaldo kam zu spät.
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