
Uli Hoeneß schäumte. „Als wir in Sevilla gespielt haben“, wetterte Bayerns Präsident, „war er alleine dafür verantwortlich, dass wir fast ausgeschieden sind. Und an dem Tag ist entschieden worden, dass wir ihn abgeben. Weil er uns fast die ganze Champions-League-Saison gekostet hat.“ Die überzogen harten Worte, die Uli Hoeneß 2018 in einer Pressekonferenz über den spanischen Verteidiger Juan Bernat verlor, sind legendär. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der Spanier die in ihn gesteckten Erwartungen in München nie erfüllen konnte. Seitdem spielt Bernat bei Paris Saint-Germain und leistet solide Arbeit. Es hat nicht viel mit dem „Scheißdreck“ zu tun, den er laut Hoeneß beim FC Bayern gespielt haben soll.
Die Abwehrprobleme, die die Bayern damals hatten, sind jedoch geblieben. Seit Beginn des Meisterschafts-Abos 2012/2013 verschlechterte sich die Verteidigung der Bayern kontinuierlich. 21 Gegentore kassierten sie im Schnitt in den ersten sechs Saisons der Dominanz. Durchschnittlich 36,5 waren es in den letzten fünf Jahren pro Spielzeit. Sie investierten und experimentierten. Doch mittlerweile müssen sich die Verantwortlichen eingestehen, dass sie alles andere als glücklich auf dem Transfermarkt agiert haben.
Gesucht: Abwehrchef
Im Hinspiel des Champions-League-Viertelfinales gegen Manchester City in der vergangen Saison erwischte Dayot Upamecano einen ähnlich schlechten Tag wie einst Bernat. Die Bayern verloren gegen den späteren Champions-League-Sieger deutlich 0:3. Hoeneß vermied es, sich erneut zu echauffieren. Die Konsequenzen aus dem deutlichen Ausscheiden und der immer wiederkehrenden Probleme in der Verteidigung, die sich nun schon seit mehr als einer Saison durchziehen, sind aber ähnliche: Upamecano könnte es schwer haben, nächste Saison einen Platz in der Startelf zu bekommen. Die Münchner stehen vor der Verpflichtung von Kim Min-Jae. Dem Spieler also, den sein neapolitanischer Trainer Luciano Spalletti als „im Moment besten Innenverteidiger der Welt“ bezeichnete. Die Bayern hoffen damit auf das Ende einer langen Suche nach einem Abwehrchef.
Als die Bayern 2019 für Lucas Hernandez 80 Millionen Euro in die Hand nahmen und den französischen Weltmeister von Atletico Madrid verpflichteten, hatten sie gehofft, diesen für die kommende Dekade gefunden zu haben. „Lucas Hernandez ist ein kompletter Verteidiger. Seine Robustheit, sein taktisches Verständnis und seine technischen Fähigkeiten machen ihn zu einem wichtigen Spieler für den FC Bayern München“, sagte Bayerns damaliger Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge über den mittlerweile 27-Jährigen Rekordeinkauf.
Missverständnis Hernandez
Vier Jahre später wird Hernandez die Bayern verlassen. Wirklich traurig scheint darüber keiner zu sein, letztendlich konnte er wegen zahlreicher Verletzungen nie die Erwartungen erfüllen. Schmerzender waren in den vergangenen Jahren eher die Abgänge langjähriger Führungspersönlichkeiten wie David Alaba und Jerome Boateng, die sportlich wie menschlich tiefe Lücken hinterließen.
Um die Probleme in der Abwehr zu bekämpfen investierte der FC Bayern in den letzten vier Jahren über 170 Millionen Euro in seine Verteidigung. Unter anderem schnappten die Bayern ihrem direkten Konkurrenten RB Leipzig Dayot Upamecano weg. Hinzu kamen ablösefreie Spieler wie Tanguy Nianzou oder Noussair Mazraoui, die allerdings den Verein schon wieder verlassen oder sich noch nicht nachhaltig durchgesetzt haben. Im Sommer 2022 kaufte Bayern Juventus Turin den niederländischen Innenverteidiger Matthijs de Ligt für 67 Millionen Euro ab und machten ihn zum Königstransfer der vergangenen Saison. Mit dem italienischen Meister Kim Min-Jae wagt der Rekordmeister nun einen neuen Versuch, seine Abwehr nachhaltig zu stabilisieren.
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